Wie man trotz Lockdown eine Gastronomie betreibt
Die Corona-Lockdowns haben die Gastronomie hart getroffen. Auch Betriebe, die Mitarbeitende mit Beeinträchtigung beschäftigen sind betroffen. Doch im Café sowieso und in der Brüggli Gastronomie Usblick konnten die Mitarbeitenden dank kreativer Lösungen weiterarbeiten. Marlen Wagner, die Geschäftsführerin vom Café sowieso, und Martin Bärlocher, der Co-Leiter von der Brüggli Gastronomie, erzählen wie sie und ihre Mitarbeitenden gut durch den gastronomischen «Coronaschlaf» gekommen sind.
- Dank Schattengastronomie geübt bleiben
Marlen Wagner, Geschäftsführerin von Café sowieso - Gespräche und getrennte Arbeitsbereiche für die Sicherheit
Martin Bärlocher, Co-Leiter der Brüggli Gastronomie Usblick
Dank Schattengastronomie geübt bleiben
Marlen Wagner - Café sowieso
Im Café sowieso in Luzern arbeiten Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam in der Hauswirtschaft, Küche und im Service. Das Café bildet auch Fachkräfte nach PrA und EBA aus.
Wie haben Sie und Ihre Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung den Lockdown im letzten Jahr erlebt?
Besser als im Jahr 2020: Wir waren vorbereitet. 2020 traf uns der erste Lockdown unvorbereitet. Dieses Mal waren die Mitarbeitenden jeden Tag da, obwohl unser Gastrobetrieb geschlossen war. Wir haben den Betreuungsauftrag und die Tagesstruktur aufrechterhalten. Zum Beispiel haben wir Spiele für das Allgemeinwissen und praxisrelevante Rollenspiele gespielt. Während des Lockdowns bekamen wir viele Nachfragen von Lernenden für Schnuppereinsätze. So haben wir uns überlegt, eine Schattengastronomie aufzubauen. Unsere Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung spielten die Gäste und die Schnupperlernende übernahmen Aufgaben im Service. Die Schattengastronomie führten wir zwei bis drei Monate. Sie war sehr erfolgreich. Dank ihr konnten wir den Schnupperlernenden zeigen, wie eine richtige Gastronomie funktioniert. Und die Lernenden, die kurz vor ihren Prüfungen und Abschlüssen standen, konnten noch mal praktisch üben. Es hat allen Beteiligten viel Spass gemacht. Ausserdem erhielten wir eine Kurzarbeitsentschädigung vom Bund. Unsere Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung waren sehr dankbar, dass wir die Löhne weiterzahlen konnten und ihnen eine Tagesbeschäftigung anbieten konnten. Zwar gab es ein vermindertes Arbeitspensum, aber die Mitarbeitenden waren trotzdem sehr motiviert.
Ab April 2021 konnten Restaurants wieder öffnen. Wie haben Sie die Wiedereröffnung erlebt?
Als unsere Gastronomie wieder für Gäste geöffnet wurde, war das eine grosse Umstellung für die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung. Zuerst wurde nur die Terrasse geöffnet und es gab wenige Gäste. So konnten wir wieder langsam in den normalen Betrieb einsteigen. Das hat den Mitarbeiternden mit Beeinträchtigung gut getan. Denn in den ersten Wochen war die verstärkte Präsenz der Fachmitarbeiter:innen an der Front nötig bis die Abläufe wieder gut sassen.
Aktuell gilt in der Gastronomie die 2G-Regel. Das heisst nur geimpfte und genesene Personen dürfen in Innenräumen konsumieren. Wie wirkt sich diese Regel auf den Betrieb in Ihrem Café aus?
Da zurzeit mehrere Komponenten das Verhalten der Gäste beeinflussen, ist es schwierig diesbezüglich eine Aussage machen zu können.
Wie wirkt sich die Coronakrise auf die berufliche Integration von Menschen mit Beeinträchtigung in Ihrem Café aus?
Das ist schwierig zu sagen. Im Moment sehen wir keine grossen Auswirkungen. Niemand hat gekündigt oder sich von der Gastronomie abgewandt. Ich denke, die berufliche Integration von Menschen mit Beeinträchtigung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist weiterhin gut. Jetzt gibt es durch die Coronakrise einen Fachkräftemangel. So könnte es sein, dass sich mehr Nischenplätze für Menschen mit Beeinträchtigung im allgemeinen Arbeitsmarkt ergeben. Aber es wird sich erst im Laufe dieses Jahres zeigen, wie es weitergehen wird.
Wie kann die berufliche Integration von Menschen mit Beeinträchtigung weiterhin gefördert werden?
Ich denke, es ist weiterhin wichtig Arbeitgebende aufzuklären. Denn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wissen viele Gastronom:innen nicht, welche Möglichkeiten es zur Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigung gibt, wie zum Beispiel Teilrenten. Mit mehr Aufklärungsarbeit könnte es mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geben.
Gespräche und getrennte Arbeitsbereiche für die Sicherheit
Martin Bärlocher – Brüggli Gastronomie Usblick
In zwei Restaurants und auf der Dachterrasse der Brüggli Gastronomie «Usblick» werden Brüggli-Mitarbeitende und externe Gäste von Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung bewirtet. Brüggli bildet ausserdem junge Menschen mit körperlicher und psychischer Beeinträchtigung in Küche und Service nach PrA, EBA und EFZ aus.
Wie haben Sie und Ihre Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung den Lockdown im Jahr 2021 erlebt?
Wir haben ihn sehr unterschiedlich erlebt. Einige waren verunsichert, andere nahmen die Situation locker. Die Verunsicherten brauchten Gespräche. Sie wollten wissen, was als nächstes passiert und was wir von der Situation halten. Wir haben gesagt, dass wir keine Prognosen abgeben werden. Stattdessen haben wir den aktuellen Stand und die Schutzmassnahmen erläutert. So haben sich unsere Mitarbeitenden gut abholt und sicher gefühlt.
Wir hatten nur für externe Gäste geschlossen. Die Kantine für die Mitarbeitenden von Brüggli blieb offen. So konnten wir den Gastronomiebetrieb aufrechterhalten und alle Mitarbeitenden weiter beschäftigen – zwar nicht alle mit dem gleichen Pensum, aber niemand musste in die Kurzarbeit. Zusätzlich haben wir während des Lockdowns Übungen durchgeführt, damit die Leute die Handgriffe nicht vergessen. Die Mitarbeitenden sind gerne zur Arbeit gekommen. Aber für die, die zu einer Risikogruppe gehörten, war die Situation schwerer. Wir haben sie im Hintergrund arbeiten lassen, so dass sie weniger Kontakt zu Menschen hatten. Andere konnten in der ersten Welle aufgrund der BAG-Richtlinien nicht zu Arbeit kommen. Sie hatten grosse Angst, den Job zu verlieren. Wir haben mit ihnen telefoniert und ihnen gesagt, dass wir auf sie warten und sie nicht kündigen werden.
Ab April konnten Restaurants wieder öffnen. Wie haben Sie die Wiedereröffnung erlebt?
Brüggli hat entschieden für externe Gäste länger geschlossen zu bleiben, um die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen. Erst im Laufe des Maies öffnete unser Gastronomiebetrieb wieder für externe Gäste. Diese wurden in einem anderen Saal als die internen Gäste untergebracht. Hierfür haben wir den Bankettsaal umfunktioniert. So war eine saubere Trennung möglich und wir konnten die Schutzmassnahmen besser umsetzen, um die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen.
Die Mitarbeitenden haben sich gefreut, als wieder mehr Gäste kamen. Aber als wir auch wieder Anlässe durchführen konnten und am Wochenende geöffnet hatten, waren für manche die unregelmässigen Arbeitszeiten stressig.
Aktuell gilt in der Gastronomie die 2G-Regel. Das heisst nur geimpfte und genesene Personen dürfen in Innenräumen konsumieren. Wie wirkt sich diese Regel auf den Betrieb in Ihrer Gastronomie aus?
Wir haben viele Stammgäste, die weiterhin kommen. Diese fühlen sich mit der 2G-Regelung sicherer als vorher. Daher spüren wir die Einschränkungen während der Mittagszeit nicht so sehr. Allerdings sind die Anfragen für Anlässe stark zurück gegangen. Dies hat aus meiner Sicht aber nichts per se mit der 2G-Regelung zu tun, sondern mit der Verantwortung der Firmen, derzeit keine Firmenanlässe durchführen zu wollen. Daher fiel für uns auch das Weihnachtsgeschäft sehr gering aus. Solange die Fallzahlen hoch sind, werden Gastronomien die Auswirkungen spüren. Durchhaltevermögen ist daher weiterhin gefragt.
Wie wirkt sich die Coronakrise auf die berufliche Integration von Menschen mit Beeinträchtigung in Ihrem Gastronomiebetrieb aus?
Die Lernenden hatten Schwierigkeiten. Es gab keine externen Praktika und viele Betriebe hatten geschlossen. So war es für viele Lernenden nicht leicht eine Anschlusslösung zu finden. Hier hat die Arbeitsassistenz von Brüggli geholfen und für alle, die in der Gastronomie bleiben wollten, eine Anschlusslösung gefunden.
Eine weitere Schwierigkeit war die Prüfungssituation. Obwohl viele Lernende während des Jahres nicht viel arbeiten konnten, wurden die Prüfungen planmässig durchgeführt. Wir haben mit den Lernenden mehr Probedurchläufe durchgeführt, um sie besser auf die Prüfungen vorzubereiten. Ich finde, die Lernenden hätten von der Politik in der Prüfungssituation besser abgeholt werden sollen.
Wie kann, Ihrer Meinung nach, die berufliche Integration von Menschen mit Beeinträchtigung weiterhin gefördert werden?
Ich denke, im Moment ist es schwierig, weil viele Betriebe nicht wissen, wie sich die Coronasituation entwickelt wird. Deswegen sind sie bei der Einstellung von Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung evtl. zurückhaltender. Auf der anderen Seite haben viele Betriebe Mühe, gutes Fachpersonal zu finden, denn wegen des Lockdowns haben viele Fachkräfte die Branche gewechselt. Daher ist es wichtig, dass wir unsere Lernenden gut ausbilden, so dass sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Anstellung finden können.
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