Begleitung
Eine «gute» Begleitung im Alter und am Lebensende gelingt dann, wenn die individuellen Wünsche und Bedürfnisse von Menschen im Alter mit einer Behinderung ausreichend berücksichtigt werden. Das bedingt, dass sie sich mit der eigenen Lebensgeschichte und der künftigen Lebensgestaltung oder auch mit Verlusten und Veränderungen, welche im Alter auftreten, auseinandersetzen können. Das Wissen um die eigene Biografie und um anstehende Veränderungen befähigt Betroffene dazu, Wünsche zur künftigen Lebensgestaltung zu formulieren.
Begleitung im Alter
Grundlegende Prämisse bei der Begleitung von Menschen mit einer Behinderung generell, aber auch im Alter, ist die Selbstbestimmung mit all ihren Facetten. Das bedeutet, dass Menschen mit einer lebensbegleitenden Behinderung auch im Alter selbst bestimmen sollen, wie sie ihren Ruhestand gestalten möchten. Es sollte ihnen die Möglichkeit geboten werden, bei entsprechenden Angeboten mitbestimmen und auswählen zu können.
Eine gute Begleitung im Alter kann durchaus Elemente der Förderung enthalten, um Alterungsprozesse hinauszuzögern oder um den Erhalt von Fähigkeiten möglichst lange zu sichern. Eine gute Begleitung im Alter muss aber ebenso Elemente der Entschleunigung umfassen mit entsprechenden Alternativen im Angebot sowie Möglichkeiten des Rückzugs. Weiter kann eine gute Begleitung bedeuten, dass Menschen im Alter mit einer Behinderung darin unterstützt werden, tragfähige Beziehungen in ihrem Sozialraum aufzubauen.
Die Begleitung von Menschen mit Behinderung im Alter stellt Betreuungspersonen vor neue, vielleicht ungewohnte Aufgaben. Sie zu erfüllen erfordert Sorgfalt und Sensibilität sowie ein offenes und flexibles Eingehen auf die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen.
Folgende Ansätze eignen sich für die Begleitung von Menschen im Alter mit einer lebensbegleitenden Behinderung:
- Bei der «Persönlichen Zukunftsplanung» geht es darum, vor wichtigen Entscheiden oder Veränderungen die individuellen Bedürfnisse einer Person zu erheben und mit ihr zusammen die künftige Unterstützung zu planen. Sie vereint die Haltungen, Methoden und Unterstützungsangebote von Personen-, Beziehungs- und Sozialraumorientierung und basiert auf den Menschenrechten und der Vision der Inklusion. Im Mittelpunkt stehen die Stärken und Talente, die Träume und der Lebensstil der Person. Ein Kreis von unterstützenden Personen ermutigt sie beim Planen und stärkt sie beim Umsetzen.
- In der «Biografiearbeit» wendet sich die Person ihrer eigenen Geschichte zu. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit macht es ihr möglich, sich selber besser zu verstehen, die Gegenwart bewusst zu gestalten und Perspektiven für die Zukunft zu entwerfen. Im Verstehen und Akzeptieren von Lebensereignissen können sie neue Ressourcen erschliessen sowie Interessen und Wünsche evaluieren, die für die individuelle Lebensqualität im Alter relevant sind. Die Biografiearbeit kann als angeleitete, strukturierte Auseinandersetzung oder als biografiesensible Begleitung im Alltag erfolgen.
- Mit dem personenzentrierten Denken und Arbeiten lassen sich Lebensperspektiven entwickeln, die auf den Interessen, Kompetenzen und den Bedürfnissen der jeweiligen Person aufbauen. Eine wertschätzende Haltung der Unterstützungspersonen den Menschen mit Beeinträchtigung gegenüber ist eine wesentliche Grundlage dieses Ansatzes. Aufbauend auf Wertschätzung, Empathie und Kongruenz wird ein individueller Blick auf den Menschen angestrebt. Die personenzentrierte Arbeitsweise in Kombination mit der «Persönlichen Zukunftsplanung» soll es ermöglichen, die Lebensqualität, die Autonomie und die Teilhabe von Menschen im Alter mit Beeinträchtigung zu verbessern.
Angebote für Menschen mit lebensbegleitender Behinderung im Alter
Um sich auf den Ruhestand vorbereiten und die mit dem Altersprozess verbundenen Gesundheitsfragen verstehen zu können, benötigen Menschen mit einer Behinderung auf sie zugeschnittene Bildungsangebote. Relevante Themen sind dabei Erkrankungen, Sterben und Tod sowie die Lebensgestaltung in der neuen Lebensphase. Solche Bildungsangebote müssen den Verstehens- und Kommunikationsmöglichkeiten der Menschen mit einer Behinderung Rechnung tragen. Zudem sollen sie Angehörige in einer Schlüsselrolle möglichst einbeziehen. Inklusive Bildungsangebote sind grundsätzlich vorzuziehen, je nach Inhalt werden jedoch spezifische Angebote empfohlen. Zum Beispiel eigenen sich Inhouse-Bildungsangebote, um aktuelle Themen und Probleme in einem geteilten Erfahrungsraum einer Einrichtung aufzugreifen.
Begleitung am Lebensende
Im Alter wächst das Bedürfnis nach einer ganzheitlichen, intensiven Begleitung und Unterstützung. Pflege, Betreuung und Palliative Care gewinnen zunehmend an Bedeutung. Um diesen Bedürfnissen der Menschen mit lebensbegleitender Behinderung zu entsprechen, müssen sich die Institutionen sorgfältig vorbereiten. Die Ausarbeitung von Leitlinien und Konzepten zur Palliative Care und zur Entscheidungsfindung am Lebensende wird dringend empfohlen.
Auch das Personal ist entsprechend weiterzubilden, damit das benötigte pflegerische Know-how vorhanden ist. Wichtig ist zudem die fachliche Unterstützung in belastenden Situationen, wobei eine gute Zusammenarbeit mit Haus- und Heimärzten sowie mit Pflege- und Palliative Care Diensten ein entscheidender Faktor ist. Besteht der zusätzliche palliative Pflege- und Betreuungsaufwand über längere Zeit, sind alle Beteiligten stark gefordert. In einer solchen Situation drängen sich eine Verstärkung der Ressourcen in personeller Hinsicht und eine intensivere Zusammenarbeit mit externen Anbietern auf.
Palliative Care
Palliative Care setzt sich zum Ziel, einen wesentlichen Beitrag zur grösstmöglichen individuellen Lebensqualität von Menschen zu leisten, die an einer oder mehreren chronischen Krankheiten oder an fortgeschrittener Gebrechlichkeit leiden. Dieses Ziel hat vorrangige Gültigkeit für die gesamte Dauer einer unheilbaren chronischen Krankheit, ohne aber die Endlichkeit des Lebens zu leugnen.
Nur ein kleiner Teil der Menschen mit Bedarf an Palliative Care wird auf Palliativstationen in Spitälern oder in Hospizen gepflegt. Aufenthalte auf Palliativstationen sind zudem meist vorübergehend. Etwa 80 Prozent der Patientnnen und Patienten werden im Rahmen der «allgemeinen Palliative Care» begleitet. Unterstützung und Pflege finden also vorwiegend im klassischen Alters- und Pflegeheim oder zu Hause in den eigenen vier Wänden statt. In letzter Zeit bieten auch heil- und sozialpädagogisch geführte Institutionen vermehrt Palliative Care an.
Die «Palliative Care Box» richtet sich an Leitungs- und Fachpersonen sowohl der stationären Langzeitpflege wie auch der Institutionen für Menschen mit Behinderung. Dem Management liefert die Box Argumente und Arbeitsinstrumente sowie Praxisberichte zur Prozessgestaltung und zur Organisationsentwicklung. Fachpersonen bietet sie Arbeitsinstrumente und Umsetzungshilfen zu den Palliative-Care-Kernleistungen und weiteren angegliederten Themen.
Selbstbestimmt entscheiden am Lebensende
Am Lebensende müssen unter Umständen schwerwiegende Entscheide getroffen werden, wie zum Beispiel über lebenserhaltende Massnahmen. Dabei soll das Prinzip der Selbstbestimmung zwingend gewahrt werden, was bei urteilsunfähigen Menschen oder Menschen mit eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten äusserst schwierig und belastend sein kann. Urteilsfähige Personen sind allein entscheidungsberechtigt. Bestehen Zweifel an der Urteilsfähigkeit, ist diese in zeitlicher wie in sachlicher Hinsicht sorgfältig abzuklären. Denn Urteilsunfähigkeit besteht nur in Bezug auf eine konkrete Handlung / Entscheidung und für einen konkreten Zeitpunkt. Auch bei festgestellter Urteilsunfähigkeit muss versucht werden, die betroffene Person in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Um «im wohlverstandenen Interesse» der Person und unter Berücksichtigung ihres «mutmasslichen Willens» zu entscheiden, spielen Angehörige, weitere Vertrauenspersonen, aber auch Betreuungspersonen und das medizinische Personal eine wichtige Rolle. Unterschiedliche Wertvorstellungen oder Sichtweisen in Bezug auf die Person und deren Situation können in diesem Klärungsprozess in Konflikt geraten. Verschiedene Instrumente bieten jedoch Unterstützung, um gemeinsam einen Weg zu finden. Um in solchen Situationen gemeinsam gute Entscheide zu fällen, sind unter anderem auch Kenntnisse der gesetzlichen Grundlagen unerlässlich. Die Stimme der Angehörigen als wichtige Bezugspersonen und Entscheidungsträger ist gemäss Kaskade im Erwachsenenschutzrecht zu respektieren.
Im Themendossier Erwachsenenschutz stellt der Branchenverband CURAVIVA umfangreiche Informationen und Arbeitsinstrumente zum Erwachsenenschutzrecht zur Verfügung.
Patientenverfügung
Die Patientenverfügung ist ein Instrument der Selbstbestimmung. Eine urteilsfähige Person kann darin festhalten, welchen medizinischen Massnahmen sie im Falle einer künftigen Urteilsunfähigkeit zustimmt und welchen nicht. Der Prozess der Beratung zur Patientenverfügung oder zu anderen medizinischen Vorsorgedokumenten wird auch als Advance Care Planning (ACP) bezeichnet.
Vorsorgeauftrag
Im Vorsorgeauftrag bestimmt eine Person eine Vertrauensperson, die sie im Falle der Urteilsunfähigkeit in persönlichen, finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten vertreten darf. Einen Vorsorgeauftrag kann erteilen, wer urteilsfähig und älter als 18 Jahre ist. Zwei verschiedene Formen sind möglich: der eigenhändige oder der öffentlich beurkundete Vorsorgeauftrag. Der eigenhändige Auftrag muss handschriftlich verfasst sein sowie Datum und Unterschrift tragen. Der öffentlich beurkundete Vorsorgeauftrag wird von einem Notar verfasst und auf seine Richtigkeit hin kontrolliert. Der Notar bestätigt zudem die Urteilsfähigkeit der Person zum Zeitpunkt der Abfassung.
Informationen zum Vorsorgeauftrag sowie Empfehlungen zur Dokumentation des Patientenwillens bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen finden sich bei der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften SAMW oder der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheit bei Menschen mit intellektuellen Entwicklungsstörungen SGGIE (vormals SAGB).
Medizinisch-ehtische Richtlinien | Patientenverfügung | SAMW
Die Richtlinien der SAMW stellen die Inhalte einer Patientenverfügung dar und zeigen, welche Punkte beim Verfassen und bei der Umsetzung beachtet werden sollten.
Sterben und Tod
Der Tod von Bewohnenden kann für Mitarbeitende aber auch Mitbewohnende eine Belastung sein. Deren Einbezug in geeignete Rituale der Trauer- und Abschiedsarbeit kann helfen. Ausführliche Informationen zu diesen Themen finden sich in der Palliative Care Box: